Das Stichwort Pflichtteil ist im deutschen Erbrecht stets mit der Enterbung verbunden.
Hat ein Erblasser zum Beispiel seine Kinder, seinen Lebens- oder Ehepartner enterbt, möchte der Erblasser, dass diese Person nichts von seinem Erbe bekommt.
Nun würde man meinen, dass ein Erblasser mit seinem Erbe machen kann, was er möchte.
Der Erblasser kann zu Lebzeiten mit seinem Vermögen ja auch Tun und Lassen, was er möchte.
Der Anspruch auf einen Pflichtteil beschneidet diese Freiheit jedoch.
Was Sie jetzt beachten müssen und wie Sie Ihren Pflichtteil einklagen können, erläutere ich Ihnen im folgenden Beitrag.
Inhalt
- Beispiel: das verstoßene Kind
- Pflichtteil und Enterbung
- Wer kann überhaupt klagen?
- Welche Ansprüche stehen mir zu?
- In welchen Fällen kann ich klagen? Wann ist eine Klage sinnvoll?
- Wie klagt man den Pflichtteilsanspruch ein?
1. Beispiel: das verstoßene Kind
Ein kleines Beispiel soll zeigen, in welchen Fällen eine Enterbung zum Beispiel zustande kommen kann und wann ein Pflichtteilsanspruch eingeklagt werden kann:
Der Erblasser E hatte zu Lebzeiten 2 Kinder. Wegen eines persönlichen Zerwürfnisses mit dem Sohn A hatten E und A keinen Kontakt mehr. E möchte nicht, dass sein Sohn A von seinem Vermögen (50.000 Euro) etwas erbt und vererbt alles der Tochter B. Als E stirbt und das Testament verlesen wird, besteht Sohn A danach auf seinen Pflichtteil.
2. Pflichtteil und Enterbung
Die Gründe warum ein Erblasser eine nahestehende Person enterbt können vielfältig sein.
Meistens sind Auseinandersetzungen um den Pflichtteil jedoch von persönlicher Nähe zwischen den Kontrahenten geprägt, weil der Pflichtteilsanspruch nur einigen nahen Angehörigen gesetzlich zusteht.
Dies macht solche Auseinandersetzungen deshalb in jedem Fall in einem persönlichen Maß schwierig. In unserem Beispiel streitet der Sohn A nämlich mit seiner Schwester B um den Pflichtteilanspruch.
3. Wer kann überhaupt klagen?
Den Pflichtteil können überhaupt nur die sog. Pflichtteilsberechtigten einklagen.
Diese sind im BGB genau gesetzlich festgelegt. Pflichtteilsberechtigt sind nach § 2303 BGB die Kinder des Erblassers, die Eltern des Erblassers, soweit diese noch Leben, und der Lebens- oder Ehepartner des Erblassers.
Großeltern oder andere Angehörige sind nicht pflichtteilsberechtigt und können daher den Pflichtteil auch nicht einklagen.
4. Welche Ansprüche stehen mir zu?
Soweit Pflichtteilsberechtigte gänzlich vom Erbe ausgeschlossen sind, stehen gewisse Auskunftsrechte zu.
Wer nämlich nicht weiß, wie groß das Vermögen des Erblassers war oder welche Vermögensgegenstände in dem Nachlass vorhanden sind, der weiß im Zweifel auch nicht, wie hoch sein Pflichtteil ist.
Daher haben Pflichtteilsberechtigte das Recht von dem Erben oder der Erbengemeinschaft Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu bekommen.
Erstellung eines Nachlassverzeichnisses
Der Pflichtteilsberechtigte kann auch verlangen bei der Anfertigung des Nachlassverzeichnisses anwesend zu sein, und, dass der Wert der Nachlassgegenstände etwa durch einen Sachverständigen ermittelt wird.
Sollte ein Pflichtteilsberechtigte kein Vertrauen haben, dass die Erben das Nachlassverzeichnis richtig und vollständig führen, kann der Pflichtteilsberechtigte auch verlangen, dass das Verzeichnis durch z.B. einen Notar erstellt wird.
Dadurch wird einerseits eine größere Unabhängigkeit ermöglicht, andererseits ist dies aber auch mit Kosten verbunden. Diese Kosten, wie auch die Kosten für eine etwaige Wertermittlung, werden aus der Erbmasse heraus bezahlt und sind daher nicht von dem Pflichtteilsberechtigten alleine zu tragen.
5. In welchen Fällen kann ich klagen? Wann ist eine Klage sinnvoll?
Weiß man aus den eben angesprochenen Auskunftsrechten nun, wie groß der Nachlass ist, kommt es immer auf die familiäre Situation an, wie hoch der Pflichtteil nun ist.
In unserem kleinen Beispiel würden nach dem Tod des Erblassers E nur die Tochter B und der Sohn A erben. Wäre kein Testament vorhanden, würde die gesetzliche Erbfolge eintreten und beide Kinder würden die Hälfte erben.
Hätte der Erblasser E 50.000 Euro zu vererben, würden beide Kinder 25.000 Euro als Erbschaft aus der gesetzlichen Erbfolge erhalten.
Pflichtteilsanspruch: Die Hälfte des Wertes der gesetzlichen Erbfolge
Der Pflichtteil beträgt jedoch nur die Hälfte des Erbteils, der aus der gesetzlichen Erbfolge folgen würde.
Für unser Beispiel bedeutet dies: der Sohn A hat einen Anspruch auf 12.500 Euro. Eine Klage auf den Pflichtteil lohnt sich deshalb immer dann, wenn man als Pflichtteilsberechtigter überhaupt nichts aus dem Nachlass bekommen soll.
Bekommt man nur einen kleinen Teil des Nachlasses oder ist vielleicht nur ein Vermächtnis errichtet worden, ist eine Klage dann sinnvoll, wenn der Teil, den man erhält, rein von seinem Wert unter dem Pflichtteilsanspruch liegt.
Hätte Sohn A also nur die Münzsammlung im Wert von 5.000 Euro bekommen, wäre eine Klage sinnvoll, da ihm 12.500 Euro zustehen würden.
6. Wie klagt man den Pflichtteilsanspruch ein?
Bevor man eine Klage auf seinen Pflichtteil in Betracht zieht, sollte versucht werden eine gütliche Einigung zu erzielen. Allerdings muss man bedenken, dass bei Auseinandersetzungen um den Pflichtteil immer eine große persönliche Nähe zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten herrscht.
Deshalb sollte eine außergerichtliche Einigung immer als erstes versucht werden. Dabei ist die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in jedem Fall zu empfehlen.
Keine gütliche Einigung möglich? Dann Sollten Sie klagen!
Sollte eine gütliche Einigung jedoch scheitern, dann müssen Pflichtteilsberechtigte klagen.
Je nachdem, ob die Erben dem Pflichtteilsberechtigten Auskünfte erteilen oder nicht, kann es nötig sein auch diese Auskunft einzuklagen. Nur so lässt sich errechnen wie hoch der Pflichtteilsanspruch überhaupt ausfällt.
Danach kann diese Summe vor einem ordentlichen Gericht (je nach Höhe des Pflichtteils vor dem Amtsgericht oder vor dem Landgericht) eingeklagt werden. Bei solchen Klagen empfiehlt es sich immer einen erfahrenen Rechtsanwalt hinzuziehen, da nur dieser die exakte Höhe des Pflichtteils berechnen kann.
Hier kommt es auch auf Verbindlichkeiten des Erblassers an oder die genaue familiäre Konstellation. Ein Rechtsanwalt kann bei einer Vertretung des Pflichtteilsberechtigten z.B. das Nachlassverzeichnis prüfen oder dessen Erstellung überwachen.
Haben Sie Fragen zum Einklagen des Pflichtteils oder wünschen Sie eine Beratung? Dann rufen Sie uns an unter 030 86 30 70 03 oder schreiben Sie eine Mail an kontakt@ra-rosengart.de.
Über Sascha Rosengart
Sascha Rosengart ist seit 2014 als Rechtsanwalt zugelassen, seit 2015 mit eigener Kanzlei in Charlottenburg-Wilmersdorf.
Rechtsanwalt Rosengart ist auf die Rechtsgebiete Familienrecht und Erbrecht spezialisert.
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